Abmahnwelle wegen Google Schriften auf der Website

Abmahnung wegen Google Fonts

Ein Website-Betreiber wandte sich an uns, weil er eine Abmahnung wegen der Verwendung von Google Fonts auf seiner Website erhalten hatte und das geschilderte Problem von uns technisch beheben lassen wollte. Hier ist das Schreiben an unseren Kunden durch den Rechtsanwalt Kilian Lenard im Auftrag seines Mandanten Martin Ismail, für dessen „Interessengemeinschaft Datenschutz (IGD)“:

Rechtliche Fragen
(Massenabmahnung)

Mehrere Anwälte haben inzwischen in ihren Blogs ähnliche Fälle beschrieben und vertreten mit der prinzipiell wohl gleichlautenden Abmahnung mittlerweile zahlreiche Mandanten. So wie die Fälle beschrieben sind, sieht es nach einer möglicherweise rechtswidrigen Massenabmahnung aus. Massenabmahnungen sind nicht automatisch immer rechtsmissbräuchlich. Wenn der Zweck der Serie aber das schnelle Geldverdienen ist („sachfremde und nicht schutzwürdige Interessen“), dann wohl schon².

Aber lesen Sie selbst: Stellvertretend für die vielen anwaltlichen Blogeinträge, die wir gelesen haben, verweisen wir auf zwei Stellungnahmen von Anwälten (in einem Fall sogar konkret auf die aktuelle Abmahn-Serie bezogen). Beide Rechtsberater bieten sogar ein kostenloses Formschreiben an, um im konkreten Fall versuchen zu können, die Abmahnung auch selbst abzuwehren:

¹https://www.schreiner-lederer.de

²https://www.wbs-law.de

Anwälte weisen in ihren Blogs oft darauf hin, dass man Abmahnungen normalerweise nicht ignorieren sollte und besser rechtlichen Rat einholt, bevor man etwas unterschreibt oder zahlt. Das wird insbesondere empfohlen, wenn neben der Zahlung eines Betrags eine Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafe verlangt wird (in unserem konkreten Fall nicht). Man kann sich ernsthaft in Schwierigkeiten bringen, wenn man in dem Falle ungeschickt, unkundig oder gar nicht reagiert.
(Bitte nachlesen bei RA Plutte)

Eine konkrete Einschätzung zur oben genannten aktuellen Abmahnwelle, die wir hier gern zitieren: „Die richtige Reaktion auf derartige Schreiben ist zugegebenermaßen davon abhängig, wie viel Zeit und Geld betroffene Webseitenbetreiber in die Angelegenheit investieren wollen. Für den Fall, dass es sich tatsächlich um eine rechtsmissbräuchliche „Massenabmahnung“ handelt, dürfte das Risiko einer gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche relativ niedrig sein. Betroffene Webseitenbetreiber könnten daher ein solches Schreiben unter Inkaufnahme eines verbleibenden Restrisikos einfach wegwerfen.“
(Quelle RA Lederer – bitte dort im Originaltext nachlesen!)

Technische Fragen
(Falschbehauptung)

In den erwähnten, von uns gelesenen Blogs wurde die rechtliche Seite bewertet.

Interessant fanden wir, dass die Behauptung in dem uns vorliegenden Fall zudem technisch komplett falsch war. (Das hatten die von uns gelesenen Anwalt-Blogs so nicht erwähnt und darum wollten wir auf den Punkt von uns aus hinweisen):

  1. An der genannten Stelle im HTML-Quellcode fand sich der beanstandete Code nicht.
  2. Verwendete Google Fonts waren auf der konkreten Website bereits vollständig lokal eingebunden und wurden nicht von Google dynamisch bezogen.
  3. Die beanstandeten Schriften Roboto und Google Sans kamen auf der Website gar nicht vor.

Wir gehen also von einer ganz üblen Masche aus.

Sie können so etwas selbst prüfen, wenn Sie im Browser den HTML-Quellcode der abgemahnten Webseite absuchen (Browser-Menu „Quellcode anzeigen“), ob an der behaupteten Stelle ein solcher Code steht. Oder Sie nutzen z. B. den kostenlosen Online-Font-Scanner von eRecht24.

Wurde nichts gefunden, brauchen Sie dann wohl noch einen Nachweis, dass das am Tage der Beanstandung (siehe Mahnschreiben) auch bereits so war. Wir haben für uns folgendes Vorgehen überlegt – Ihr Webdesigner kann das problemlos erledigen:

  1. Sie machen einen Screenshot der Website und des Quellcodes und zeigen, dass der beanstandete Code aktuell nicht im Quellcode ist.
  2. Webbrowser bieten zudem in einer sogenannten „Console“ die Möglichkeit, die Quelldomains für alle Medien anzeigen zu lassen. Taucht dort nicht „fonts.googleapis“ auf, gibt es eine solche Verknüpfung auch nicht. Auch dies lässt sich per Screenshot dokumentieren.
  3. Sie rufen per FTP das Verzeichnis der Website auf und suchen die Quell-Datei der beanstandeten Webseite. Machen Sie davon auch einen Screenshot, indem der Dateiname und das entsprechende Änderungsdatum zu erkennen ist. Wenn das Datum der letzten Änderung der betreffenden Datei älter ist als das im Mahnschreiben genannte, können Sie damit gut zeigen, dass Sie hier aktuell nichts geändert/nachträglich korrigiert haben. Daher wäre folglich das unter Punkt 1. genannte Aussehen auch schon vor dem Feststellungsdatum im Mahnschreiben genau so.
Dieser Nachweis ist vermutlich noch besser, wenn man dabei Zeugen hat.
 
Ergänzend kann man bei https://archive.org nachsehen, ob dort zufällig ein älteres Backup der Website gesichert ist, und dieses den angemahnten Quellcode dort auch nicht enthält.
 
Selbst wenn das Mahnschreiben offensichtlich technisch falsche Behauptungen hat, empfehlen wir normalerweise immer, dass Ihr Rechtsberater den Fall auf den Tisch bekommt: Der kennt sich aus, wie man auf Abmahnungen richtig reagiert.

Kommentare?

Wir freuen uns über Rückmeldungen und Hinweise an info@tba-berlin.de.
 

Dubiose Massenabmahnungen machen Webbetreibern und Agenturen das Leben unnötig schwer. Zum Glück ist es mit einer kleinen Recherche im Internet inzwischen recht einfach möglich, Massenabmahnungen zu entdecken, wenn Anwälte und Agenturen ihnen bekannt gewordene Fälle in ihren Blogs veröffentlichen. Genau das ist der Sinn und Zweck auch dieses Blogbeitrags.

 Disclaimer: Wir beim TBA-Berlin sind keine Rechtsanwälte, sondern Webdesigner. Für verbindliche Rechtsauskünfte fragen Sie Ihren Rechtsberater.

Plugin-Tipp für WordPress

Für WordPress-Nutzer gibt es einige Plugins, die das entfernte Laden von Google Fonts blocken und diese stattdessen automatisch erkennen, herunterladen und lokal einbinden, wie von der DSGVO verlangt, z.B.

https://de.wordpress.org/plugins/local-google-fonts/

Da auch Kunden von uns betroffen waren, halten wir Sie hier zur weiteren Entwicklung der Dinge auf dem Laufenden:

UPDATE 29.9.
Inzwischen hat sich auch eine erste Handwerkskammer mit einer Empfehlung geäußert, die Hinweise verdichten sich, dass es sich tatsächlich um eine Abmahnwelle größeren Umfangs handelt:

UPDATE 30.9.
Durch eine Leserzuschrift wissen wir von einem weiteren Fall, indem eine Website technisch falsch abgemahnt wurde: Es wurde eine URL beanstandet, die nichts weiter ist als eine Weiterleitung. Das Weiterleitungsziel mit der eigentlichen Website wurde nicht beanstandet.

UPDATE 19.10.
Hier ein sehr umfangreicher Artikel aus rechtlicher Sicht von einer Kanzlei, mit der wir kooperieren:

Dort enthalten ist auch der bereits erwähnte Scanner nach falsch eingebundenen Fonts sowie ein Musterschreiben zur Erwiderung der Abmahnung.

Und noch ein weiterer umfangreicher Artikel zum Thema, insb. zu Rechtsmängeln  der konkreten Abmahnung:

 UPDATE 2410.
Eine Kanzlei (LHR Law) hat nun für seinen Klienten eine einstweilige Unterlassungsverfügung gegen Martin Ismael beim LG Baden-Baden erwirken können. Deren Mandant wehrt sich also aktiv gegen solche Zumutungen:

UPDATE 22.11.
Zum Stand der Entwicklung (warum die aktuellen Anwaltsschreiben von Kilian Lenard und anderen rechtlich höchst zweifelhaft sind) – ein aktueller Beitrag bei Heise.de:

UPDATE 26.12.
Der Vollständigkeit sei erwähnt, dass sich jetzt die Staatsanwaltschaft für den Fall interessiert und es  vor Weihnachten Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen bei RA Kilian Lenard und dessen Mandanten gab. Das unterstützt die Einschätzung, dass Google Fonts zwar weiter nur lokal gespeichert werden sollten, die erwähnten Abmahnungen aber betrügerischer Natur und ungültig waren:

UPDATE 20.1.2023
Inzwischen ist auch ein fast identischer Fall aus Österreich im Visier der Staatsanwaltschaften des Nachbarlandes, hier geht es sogar um über 5 Millionen Schaden:

Hinweis: Auch wenn sich herausstellt, dass die aktuellen Abmahnungen wohl rechtlich fragwürdig sind, Google-Fonts sollten stets lokal eingebunden sein, dann ist man auf der sicheren Seite. Ihr Webdesigner weiß, wie man das richtig macht.

DISCLAIMER: Das TBA-Berlin ist keine Anwaltskanzlei. Der hier angebotene Inhalt dient nur der allgemeinen Information und stellt keine Rechtsberatung dar. Wir empfehlen Ihnen, unabhängigen Rechtsrat einzuholen, bevor Sie auf der Grundlage der hier bereitgestellten Inhalte Maßnahmen ergreifen oder unterlassen.

Das TBA-Berlin gibt keinerlei ausdrückliche oder stillschweigende Zusicherungen oder Garantien in Bezug auf die Richtigkeit, Angemessenheit, Gültigkeit, Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit oder Vollständigkeit der hierin erwähnten Informationen. Die Nutzung oder das Vertrauen auf die hierin enthaltenen Informationen erfolgt für Ihren persönlichen Gebrauch und ausschließlich auf Ihr eigenes Risiko.

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